Seitenwechsel – «Erfahrung mit grossem Mehrwert» 

Zusammen mit den beiden Kursleiterinnen Barbara Studer und Jasmin Willisegger leitet Martin Tiefenbacher die Langzeitweiterbildung «Seitenwechsel»: Im Interview erläutert erden Facettenreichtum des Weiterbildungsangebots und spricht über dessen Durchführung im speziellen Schuljahr 2020/21. 

Was motiviert Lehrpersonen, dieses Angebot zu besuchen?

Martin Tiefenbacher: Ein zentraler Beweggrund sich am Seitenwechsel zu beteiligen, ist die Möglichkeit, ausserhalb der eigenen Schule individuelle, auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtete Projekte mit Bezug zur Schule umsetzen zu können. Dazu gehören beispielsweise Hospitationen in anderen Schulen, Besuche von fachspezifischen Weiterbildungskursen, die Beteiligung an einem Forschungsprojekt der PH Luzern oder das Auffrischen der Sprachkompetenz, indem ein «Brush-up» an einer Sprachschule im Ausland absolviert wird. Ebenso bedeutsam für die Teilnehmenden sind Module im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, etwa der viel zitierte «Blick über den Zaun», um in einem mehrwöchigen Betriebspraktikum «schulfremde» Einblicke und Eindrücke wahrzunehmen, eine Laufbahnberatung vorzunehmen oder Projekte zu verwirklichen, die zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Lehrpersonen beitragen. 

Inwiefern profitieren die Teilnehmenden nachhaltig von einem «Seitenwechsel»?

Martin Tiefenbacher: Die Erfahrung, nach vielen Jahren des Lehrens wieder zum Lernenden zu werden, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen, sich neues Wissen aneignen zu können, sich der eigenen beruflichen Situation zu stellen und eine Standortbestimmung vorzunehmen, ist ein grosser Mehrwert für viele Teilnehmende des Seitenwechsels.

Die Corona-Situation hat auch im Schuljahr 2020/21 Spuren hinterlassen. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den «Seitenwechsel» gehabt?

Martin Tiefenbacher: Wir konnten nur 15 statt wie ursprünglich geplant 30 Neuanmeldungen berücksichtigen, weil in Absprache mit der DVS mit 21 Teilnehmenden bei Beginn der Pandemie vereinbart wurde, dass sie den ursprünglich geplanten, 2020 aber nicht begonnenen Seitenwechsel im Folgejahr absolvieren können würden. Die pandemiebedingten Einschränkungen führten dazu, dass viele Lehrpersonen ihre Projekte stark anpassen oder kurzfristig nach Alternativen suchen mussten. Ein Online-Sprachkurs statt Ausland-Aufenthalt, virtuelle Weiterbildungskurse statt Hospitationen vor Ort oder ein verlängertes Betriebspraktikum sind einige Beispiele, die kurzfristig umgesetzt wurden. Das setzte viel Flexibilität und ein lösungsorientiertes Vorgehen seitens der Teilnehmenden und der Verantwortlichen der DVS und der PH Luzern voraus. 

Wie hat sich das Weiterbildungsangebot über die Jahre weiterentwickelt?

Martin Tiefenbacher: In beiden Aufgabenbereichen, Schule und Persönlichkeitsentwicklung, haben wir das Profil geschärft und neue Module entwickelt. Es ist heute zum Beispiel möglich, während zwei Wochen eine Fremdsprache zu erlernen oder zu vertiefen, auch wenn diese Sprache nicht selbst aktiv unterrichtet wird. Beim Seitenwechsel handelt es sich um eine Langzeitweiterbildung und nicht um eine «Auszeit». 

Das heisst…

Martin Tiefenbacher: …dass wir nach anfänglichen Unsicherheiten heute klar abgrenzen können, welche Aktivitäten innerhalb des «Seitenwechsels» umgesetzt werden können und was nicht Teil der Kurszeit sein kann. Die Planungsarbeit ist für die Teilnehmenden aufwändig und es wird viel Eigeninitiative verlangt. Seit den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie müssen die Teilnehmenden für viele Projekte einen Plan B entwerfen, manchmal auch einen Plan C. In anderen Worten: Wer sich in diese Langzeitweiterbildung «retten» will, um das Schuljahr besser zu überstehen, wird im «Seitenwechsel» nicht glücklich werden. Die Anforderungen, die wir an die Teilnehmenden stellen, sind dann erfahrungsgemäss zu hoch, und die Erwartungen der Teilnehmenden decken sich nicht mit den Vorstellungen der DVS und der PH Luzern. 

Unvermeidliche Schlussfrage: Wie hätte der persönliche «Seitenwechsel» von Martin Tiefenbacher ausgesehen, wenn es dieses Angebot schon viel früher gegeben hätte?

Martin Tiefenbacher: Ich hätte ein «klassisches Muster» gewählt und gerne ein Betriebspraktikum absolviert, z. B. im Gesundheitswesen (Klinik, Altersheim, Kinderspital), meine Englisch-Sprachkompetenz vertieft und nach Möglichkeit in demselben Sprachraum die Chance eines Gastpraktikum an einer Schule genutzt. Ein polysportiver Kurs, um meine körperliche und geistige Beweglichkeit zu erhalten, hätte meinem Seitenwechsel einen würdigen Rahmen gegeben.

Steckbrief «Seitenwechsel»  

  • Seit 2013 bietet die Weiterbildung der PH Luzern die Langzeitweiterbildung «Seitenwechsel» an. Bisher haben rund 270 Personen die von der Dienststelle Volksschulbildung (DVS) in Auftrag gegebene und finanzierte sowie von der PH Luzern umgesetzte Langzeitweiterbildung absolviert. Jährlich stehen 30 Plätze zur Verfügung.
  • Der «Seitenwechsel» ermöglicht es Lehrpersonen und Mitarbeitenden der Schulischen Dienste, während neun Wochen den Blick auf andere schulische und ausserschulische Lebenswelten zu richten. Dabei steht das eigene Lernen im Mittelpunkt: Die Teilnehmenden setzen eigene inhaltliche Schwerpunkte und planen Projekte, die sie selbständig umsetzen.
  • Ziel dieser Weiterbildung ist, dass die Lehrpersonen nach Abschluss der Langzeitweiterbildung motiviert und mit neuem Tatendrang an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren, eigenes Veränderungspotenzial erkennen und allenfalls Korrekturen im Hinblick auf ihre weitere Laufbahnentwicklung vornehmen können.

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