29. September 2025

Praktika innerhalb eines Netzwerks

Am Samstag, 8. November 2025, findet an der PH Luzern eine Vernetzungstagung zu Fragen des Lernens im Praktikum statt. Die Verantwortlichen erläutern den Fokus und verraten erste Tendenzen betreffend Ergebnisse der entsprechenden SNF-Studie.

Bitte erläutern Sie den Tagungstitel «Lernen im Praktikum – unterschiedliche Perspektiven als Mehrwert?» respektive den Kurztitel des Projekts dahinter, «DiaMaNt», ein wenig näher. 

Esther Brunner: «DiaMaNt» steht für «Dialoge zu/über Mathematikunterricht in sozialen Netzwerken im Praktikum». Der volle Titel der SNF-Studie lautet: Lerngelegenheiten für Lehrstudierende im sozialen Netzwerk Praxisfeld aus allgemein- und mathematikdidaktischer Perspektive – DiaMaNt

Annelies Kreis: Esther Brunner und ich befassen uns schon seit Jahren mit Fragen des Lernens im Praktikum. Der Tagungstitel betrifft eine Kernfrage unserer Zusammenarbeit: Wie können unterschiedliche Akteurinnen und Akteure zukünftige Lehrpersonen in ihrem Lernen im Praktikum unterstützen? Die Tagung bietet Raum für Erkenntnisgewinn und Diskurs zu diesen Fragen. Mein Fokus in dieser Arbeitsgemeinschaft liegt auf der Perspektive der professionellen Entwicklung im Netzwerk Praktikum aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. 

Esther Brunner: Eine Hauptleistung unserer gemeinsamen Arbeit ist, dass wir fachwissenschaftliche und fachdidaktische Zugänge mit erziehungswissenschaftlichen verknüpfen. Mein Part liegt dabei auf der Mathematikdidaktik. Diese Sichtweise auf das Lernen und Lehren von Mathematik bringe ich im Projekt ein. An der Tagung geben unsere Kollegen Timo Ehmke und Torben Schmitt von der Leuphana Universität Lüneburg einen Einblick in ein Projekt zwischen Erziehungswissenschaft und Englischdidaktik. Auch vielfältige Erkenntnisse aus anderen Fachdidaktiken werden von Kolleginnen und Kollegen in den weiteren Beiträgen gegeben. 

Welche Rolle müssen die unterschiedlichen Personen in den erwähnten sozialen Netzwerken (Praxislehrpersonen, Dozierende, Kommiliton*innen) für eine gelingende Lernentwicklung der Studierenden spielen? 

Esther Brunner: Die Ausbildung an der PH wird – auch in den Fachdidaktiken – durch die verschiedenen Praktika ergänzt. Studierende wenden dabei ihre in den Fachdidaktiken erworbenen Kenntnisse an und überprüfen so auch das an der PH Gelernte. Sie analysieren beispielsweise eine Mathematikaufgabe, schätzen ihr Potenzial und ihre Qualität ein und antizipieren, welche Schwierigkeiten Kinder bei der Bearbeitung dieser Aufgabe haben könnten. Dies machen sie nicht allein, sondern in einem sozialen Netzwerk mit verschiedenen Akteur*innen. Bedeutsam aus fachdidaktischer Sicht ist, dass sie als Lehrstudierende auch in der Praxis mit Expertinnen und Experten zusammenarbeiten können, dass sie beispielsweise auf Praxislehrpersonen stossen, die gewohnt sind, mathematische Denkprozesse von Kindern zu analysieren, um daraus entsprechende Schlüsse für die weitere Förderung ziehen zu können, oder dass sie bei Fragen auf die Expertise von Fachdidaktier*innen zurückgreifen können. An einzelnen PHs können Unterrichtsplanungen für das Praktikum daher auch mit Fachdidaktiker*innen vorbesprochen werden.

Annelies Kreis: Mit unserer Studie können wir zeigen, dass im Praktikum zwar einzelne, speziell für diese Funktion angestellte und auch qualifizierte Personen wie Praxislehrpersonen, Mentorinnen und Mentoren und Fachdidakter*innen eine zentrale Rolle spielen. Sie zeigt aber auch, dass andere Personen, die vor Ort und damit niederschwellig ansprechbar sind, ebenfalls wichtige Bezugspersonen sein können in den Lernprozessen der Studierenden. Dies können zum Beispiel Fachpersonen für schulische Heilpädagogik sein oder Mitstudierende. Als besonders wichtig für ihr Lernen schätzen die Studierenden auch die Schüler*innen ein. Weitere Ergebnisse geben Einblick in das Lernen von Studierenden in Zusammenhang mit Unterrichtsbesprechungen in verschiedenen Konstellationen.

Die berufspraktische Ausbildung ist ein wesentlicher und weit herum sehr geschätzter Bestandteil des Studiums an der PH Luzern. So sehr, dass es kaum mehr möglich war, ausreichend Praxisplätze an Schulen zu finden?

Annelies Kreis: Sie sprechen hier einen Brennpunkt der Ausbildung von Lehrpersonen an. Alle sind davon überzeugt, dass Praktika unerlässlich sind. Und gleichzeitig ist es vor dem Hintergrund des Lehrpersonenmangels noch anspruchsvoller geworden, genügend Lehrpersonen für diese wichtige Funktion zu gewinnen. Wir bauen hier auf engagierte Lehrpersonen, die sich für den eigenen Nachwuchs mitverantwortlich zeigen, und auf gute Kooperationsbeziehungen mit den Schulen und Schulleitungen. 

Das bedeutet aus fachdidaktischer Sicht, dass Lehrpersonen, die Studierende im Rahmen eines Praktikums begleiten, auch mit fachlich-fachdidaktischen Fragen konfrontiert werden. Dies ist insbesondere im Bereich der Primarschule herausfordernd, weil die Lehrpersonen keine Fachlehrpersonen, sondern Generalist*innen mit einem 7-Fächer-Diplom sind. Es kann daher schnell auch eine Überforderung sein, wenn man in allen Unterrichtsfächern fachlich-fachdidaktische explizit abrufbare Expertise aufweisen müsste. Unsere Studie zeigt hier entsprechende Grenzen auf. Daher ist zu überlegen, welche weiteren Akteure für fachlich-fachdidaktische Lernprozesse der Studierenden einbezogen werden können und inwiefern die Weiterbildung zur Praxislehrperson auch mit fachlich-fachdidaktischen Anteilen erweitert werden müsste oder ggf. Spezialisierungen bezüglich fachlich-fachdidaktischer Expertise innerhalb einer Schule sinnvoll wären.

Prof. Dr. habil. Esther Brunner

Lassen sich aus den bisherigen Untersuchungen des Forschungsprojekts schon Ergebnisse formulieren? Oder Tendenzen erkennen? 

Annelies Kreis: Eine Haupterkenntnis ist, dass es für zukünftige Lehrpersonen günstig ist, wenn sie in einem dichten sozialen Netzwerk mit verschiedenen Menschen im Austausch sind, die über ganz unterschiedliche Expertisen verfügen. Dabei hilft es, wenn spezifisch qualifizierte Personen wie Praxislehrpersonen, Mentoratspersonen oder Fachdiaktiker*innen zu diesem Netzwerk gehören und den Studierenden auch Türen zu weiteren Ansprechpersonen öffnen. Es zeigt sich aber auch, dass vor allem die Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrpersonen ohne spezifischen Auftrag häufig beteiligt sind, wenn Studierende einen Lernschritt machen. 

Esther Brunner: Annelies hat das so perfekt formuliert, dass ich dem nur vollumfänglich zustimmen kann. Ergänzen möchte ich aus fachdidaktischer Sicht, dass es immer auch um das Lernen und Lehren von Inhalten geht. Und diese müssen wohl, d.h. tief verstanden sein, sowohl was ihren fachlichen Gehalt betrifft als auch das damit verbundene fachliche Lernen und Lehren. Diese fachdidaktische Expertise ist keine «allgemein fachdidaktische», sondern immer eine sehr spezifische, d.h. beispielsweise eine mathematikdidaktische. Wer mathematikdidaktische Expertise aufweist, weist aber nicht zwingend auch sportdidaktische auf. Das, was eine grosse Herausforderung für die Primarstudierenden darstellt, sich in sieben Fächern entsprechende fachlich-fachdidaktische Kenntnisse anzueignen, setzt sich daher fort auf der Ebene von Praxislehrpersonen. Hier wäre es sinnvoll, dieses Netz durch die fachlich-fachdidaktische Expertise, die an den PHs vorhanden ist, auch strukturell verankert zu ergänzen.  

Welche konkreten Impulse oder Werkzeuge können die Teilnehmenden für ihre Praxis von der DiaMaNt-Tagung mitnehmen? 

Esther Brunner: Ein wichtiger konkreter Impuls aus meiner Sicht ist, dass Praktika innerhalb eines Netzwerkes stattfinden, zu dem ganz unterschiedliche Akteure gehören und unterschiedliche Beiträge leisten. Dies erweitert zum einen die Sicht der eigenen Akteursrolle und entlastet und zeigt zum andern auch auf, dass Lernen in einem Verbund wie in einem solchen Netzwerk ermöglicht, auf unterschiedliche Expertisen zurückgreifen und diese gewinnbringend für das eigene Lernen zu nutzen. Ein weiterer zentraler Impuls insbesondere für Ausbildungsverantwortliche betrifft m.E. die Ausbildungsarchitektur: fachliches Lehren und Lernen von Kindern setzt eine fachlich-fachdidaktische Expertise seitens der Lehrperson voraus. Diese kann bei Studierenden noch nicht vorausgesetzt werden. Daher brauchen sie Möglichkeiten, auf eine solch fachlich-fachdidaktische Expertise, wie sie an den PHs vorhanden ist, zurückgreifen zu können. Dazu wäre es hilfreich, wenn Fachdidaktiker*innen auch Fachunterricht von Studierenden im Praktikum begleiten und vor- bzw. nachbesprechen könnten.


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