21. Mai 2021

Die Erfolgsgeschichte von Mayara De Oliveira

Mayara De Oliveira macht im Sommer ihren Lehrabschluss als Fachfrau Betreuung EFZ. Ab dem neuen Schuljahr wird sie in der Kita Campus der PH Luzern arbeiten. Das allein klingt nicht aussergewöhnlich, die Geschichte dahinter ist es umso mehr.

Dass die heute 29-jährige Brasilianerin in die Schweiz kam, ist der Liebe geschuldet. Nicht primär ihrer eigenen, sondern jener ihrer Mutter. Die verliebte sich nämlich in einen Schweizer Touristen und folgte diesem von Rio de Janeiro nach Emmenbrücke.

Heimweh – trotz allem

Von der Copacabana an die Gerliswilstrasse? Weit gefehlt. Die Familie De Oliveira wohnte zwar mit Blick auf die Strandpromenade der brasilianischen Metropole – aber von weit oben aus einer Favela, einer der ärmlichen Behausungen, wie sie in Brasilien oft am Rande von Städten zu finden sind. «Wenn ich heute meine kleine Tochter sehe, wie sie mit Puppen spielt, denke ich an meine Kindheit zurück. In ihrem Alter stand ich am Herd und kochte für die Familie, was für uns grad zu kriegen war», erinnert sich Mayara De Oliveira. Sie seufzt, driftet in ihren Gedanken in Erinnerungen an die mitunter schwierigen Umstände ihrer Kindheit in Brasilien ab.

Mayara war 10 Jahre alt, als sie 2002 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in die Schweiz zog. Für sie und ihre Familie war es ein veritabler, vielfältiger und nicht bloss momentaner Kulturschock. Von der pulsierenden brasilianischen Metropole in die beschauliche Zentralschweiz, von Sonne und Meer ins vergleichsweise kühle Klima und in von Bergen geprägte Welten. Nicht einmal die Luzerner Fasnacht vermochte ihr Heimweh zu lindern.

Rassismus – frontal ausgesetzt

Die Primarschule schloss Mayara in Emmenbrücke ab, die Sekundarschule im Staffeln-Schulhaus in Littau. Es fiel ihr schwer, sich in der Schule zu integrieren, obwohl sie und ihre Geschwister von ihren Lehrpersonen sehr gut aufgenommen, unterstützt und betreut wurden, wie sie erzählt. «Dafür war und bin ich sehr, sehr dankbar. Das ist unvergesslich.» 

Unvergesslich sind jedoch auch die Herausforderungen der damaligen Zeit: Mayara sprach anfänglich kaum eine Silbe Deutsch, Mundart verstand sie grad gar nicht. Das machte den Start in der neuen Heimat schwer. Und sie war von Seiten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler, wie sie sagt, «frontal konfrontiert mit Rassismus und Diskriminierung.» Sie erinnert sich an Verfolgungen von der Schule nach Hause, an Beschimpfungen sowie Beleidigungen sowie ganz besonders daran, dass häufig Affenlaute zu hören waren, wenn sie auftauchte. «Zum Glück hatte ich viele Menschen um mich herum, die mich stützten, die verhinderten, dass ich mich entmutigen liess, und am Ende auch dafür sorgten, dass ich die Kraft hatte, allen anderen zu beweisen, dass sie es nicht mit einem Affen zu tun hatten. Natürlich taten diese verbalen Angriffe weh, aber sie vermochten nie zu verdrängen, was meine Geschwister und ich auch noch erleben durften. Wir hatten eine schöne Wohnung, sogar mit Fernseher, wir hatten zu essen, es gab funktionierenden öffentlichen Verkehr – und wir sahen zum ersten Mal Schnee...»

Perspektiven – auch für Favelas-Kinder

Mayara De Oliveira fand in der Zentralschweiz später die Liebe ihres Lebens, heiratete, zog aufs Land – und versuchte, auch als dreifache Mutter, mit kleinen Jobs zum Lebensunterhalt beizutragen. Die meiste Zeit jedoch war sie ohne zusätzliche Arbeit, liess sich aber wie schon als Kind nicht entmutigen und fand schliesslich durch die Schweizerische Stiftung für Arbeit und Weiterbildung einen Praktikumsplatz an der PH Luzern als «Mitarbeiterin Hausdienst».

Hanspeter Herzog, an der PH Luzern unter anderem auch der Verantwortliche für die Hauswartung, begleitete Mayara durch ihr Praktikum und vermittelte ihr nach der dreimonatigen Probezeit ein Praktikum im KITA Campus der PH Luzern. Für die damals 26-Jährige ging ein Traum in Erfüllung: «Kinder sind meine grosse Leidenschaft, ich bin selbst Mutter und liebe es, Kindern betreuend zur Seite zu stehen.» Und: Sie erhielt die Einblicke in das Berufsfeld der Kinderbetreuung sowie die Chance, sich in diesem Feld für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Nach ihrem erfolgreichen Lehrabschluss in diesen Sommer wird sie als ausgebildete Fachfrau Betreuung EFZ in der KITA an der PH Luzern weiterarbeiten. Dafür dankt sie namentlich Hanspeter Herzog und KITA-Leiterin Cornelia Glenz: «Sie sahen mein Potenzial, sie glaubten an mich, als ganz viele wegschauten oder nichts von mir wissen wollten. Ihnen und ihren Mitarbeitenden verdanke ich sehr, sehr viel.» Diese jedoch geben die Komplimente umgehend zurück: «Mayara arbeitete sehr hart. Sie engagierte sich enorm und verdiente sich die Weiterbeschäftigung an der PH Luzern redlich», sagt Hanspeter Herzog.

Für die weitere Zukunft hat Mayara bereits weitere Pläne. Ihr grosser Traum ist es, die Ausbildung zur Sozialpädagogin zu absolvieren und Kinder aus den Favelas von der Strasse zu holen, ihnen Ausbildungen zu ermöglichen, Perspektiven aufzuzeigen. «Ich möchte bewirken, dass auch in Rio ganz viele Kinder mit Puppen oder Spielzeugautos spielen können und nicht putzen oder kochen müssen.»


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