21. Dezember 2021

Flurina Müller hat schon neue Ziele im Visier

Die 20-Jährige aus Einsiedeln studiert an der PH Luzern, möchte Kindergärtnerin werden – und es als Ski-Orientierungsläuferin an die Weltspitze bringen.

Am 29. November platzt ein grosser Traum. Als die Nachricht publik wird, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Winteruniversiade erneut abgesagt werden muss, wühlt das Flurina Müller auf. Sie ist «geschockt», so sagt sie das, weil sie damit nicht gerechnet hatte: «Es kam total überraschend.» Die 20-jährige Studentin der PH Luzern steht mitten in der Vorbereitung auf die Wettkämpfe im Ski-Orientierungslauf, die Mitte Dezember in der Lenzerheide hätten stattfinden sollen – nun ist alles aus. 

Sie braucht ein paar Tage, um zu verarbeiten, dass «dieser Mega-Event» nicht stattfindet. Dass sie nicht als «stolze Vertreterin der PH Luzern» an den Start gehen kann. Eine Woche verzichtet sie auf das Training. Aber dann kehrt die Motivation zurück. Weil sie länger nicht darauf verzichten kann, sich zu bewegen, weil sie erst recht nicht sein kann im Winter ohne ihren geliebten Sport. Und es ist ja nicht so, dass die Saison nun gelaufen wäre, im Gegenteil. Ende Februar finden in Tschechien die Studierenden-Weltmeisterschaften statt, einen Monat später die Welttitelkämpfe der Elite. Und wenn die junge Schwyzerin an den Start geht, tut sie das mit hohen Ambitionen.

Der Familiensport der Müllers 

Aus reinem Zufall hat Flurina Müller das Ski Orienteering gewiss nicht entdeckt. OL ist der Familiensport der Müllers, Ski-OL die Ergänzung im Winter. Die Eltern betreiben seit je Ausdauersport und gaben ihre Leidenschaft ihren sechs Kindern weiter. Wenn irgendwo eine Meldung über Ski-OL auftaucht, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass es sich um eine Sportlerin oder Sportler namens Müller handelt.

Die hohe Affinität zum Langlauf lässt sich simpel erklären: Das Elternhaus steht gleich neben der Loipe in Einsiedeln. Da lag es nahe, dass man sich im Winter auf die schmalen Ski wagte. Aber sie dreht nicht nur Runden und konkurriert mit anderen Athletinnen. Nein, sie fährt über Felder und durch Wälder, um versteckte Posten zu finden. Manchmal zieht sie die Ski aus, um in unwegsamem Abschnitten zu Fuss voranzukommen. Gestattet wäre es gar, die ganze Strecke rennend zurückzulegen, unter der Bedingungen, dass die Ski ständig mitgeführt werden. Eine empfehlenswerte oder sinnvolle Option ist das freilich nicht. «Man wäre deutlich langsamer», sagt sie.

Flurina Müller trägt ein so genanntes «Kartengestell» während des Wettkampfs vor der Brust. Es ermöglicht ihr, während des Fahrens einen Blick auf die Karte zu werfen, um sich zu vergewissern, dass eingeschlagene Richtung stimmt. Um die Orientierung zu behalten, ist ausserdem der Einsatz eines Kompasses erlaubt.

Bis zu 13 Stunden pro Woche auf den Ski 

Das Studium von Karten, das Einprägen eines Geländes – das ist Bestandteil ihres intensiven Trainingsprogramms. Manchmal übt sie mit den Kolleginnen und Kollegen des Nachwuchskaders, oft aber auch allein. Den Hauptteil ihrer Arbeit macht das Training auf Langlauf- oder Rollski aus. Bis zu 13 Stunden pro Woche kommen normalerweise zusammen, manchmal absolviert sie am Tag sogar zwei Einheiten. 

Die Sportart ist vielseitig und in vielerlei Hinsicht fordernd. Da ist die physisch anspruchsvolle Komponenten, da ist aber auch der mentale Aspekt. Wer zur Spitze zählen will, benötigt mehr als einen robusten Körper mit kräftigen Oberarmen und gestählten Beinen. Handlungsschnelligkeit ist gefragt, geistige Flexibilität in heiklen Situationen, die Fähigkeit, die Ruhe zu bewahren – und auch das Gleichgewicht.

Ski-OL ist in der Schweiz nicht verbreitet. Umso schöner wäre es gewesen, für den Sport an der Winteruniversiade Werbung machen und ihn dank Fernsehübertragungen einem breiten Publikum näherbringen zu können. Wesentlich weiter sind die skandinavischen Länder, auch in Russland und Estland ist die Popularität grösser. 

Als Gradmesser in Trainings und Wettkämpfen für die Schweizerinnen fungiert derzeit die Estin Daisy Kudre, aktuelle Weltmeisterin, die mit Spitzenläufer Gion Schnyder liiert ist, ihren Lebensmittelpunkt in die Schweiz verlegt hat und Flurina so immer die Distanz zur Weltspitze aufzeigen kann. 

Das Praktikum in Horw 

Flurina Müller hat schon einige Erfolge vorzuweisen. An der Jugend-EM 2018 in Bulgarien ergatterte sie mit dem Team Bronze. In den Einzelrennen belegte sie den 9. und 10. Rang über die Sprint- und Mittel-Distanz. An der Junioren-WM 2020 schaffte sie es auf den 13. und 16. Platz. Und an den nationalen Meisterschaften am vergangenen Wochenende auf der Lenzerheide sicherte sich Flurina ihre erste Silbermedaille.

Übrigens bedeutet Sprint: vier bis sechs Kilometer. Die mittlere Distanz beträgt rund zehn Kilometer, die längste Strecke rund dreizehn.

Als Nächstes will sie den Sprung ins nationale Elite-Kader schaffen und sich im Kreis der Besten etablieren. «An die Weltspitze gelangen, das wäre schon cool», sagt sie, «ich weiss: Die Konkurrenz wird noch härter, aber das treibt mich an, noch mehr zu investieren und besser zu werden.»

Bei allem Sport verliert sie aber eines nie: die Aufmerksamkeit für ihre Ausbildung. Sie möchte Kindergärtnerin werden. Im Sommer hat sie an der PH Luzern angefangen, seither lebt sie auch in einer WG in der Stadt. Den kommenden Januar wird sie als Praktikantin in einem Kindergarten in Horw verbringen – und freut sich enorm darauf.

Biathlon, warum nicht? 

Flurina Müller hat einen dichten Terminkalender, aber sie weiss, wie sie sich immer wieder Freiräume schaffen kann. «Viel Zeit neben dem Sport geht fürs Lernen drauf», sagt sie, «aber Abwechslung ist wichtig.» Zehn Jahre machte sie Ballett, das Tanzen ist inzwischen eines ihrer Hobbys, dem sie nach Möglichkeit einmal wöchentlich nachgeht. Zwischendurch steht sie auch auf dem Snowboard, am meisten auf dem Hoch-Ybrig. 

Und vielleicht kehrt sie irgendwann einmal wieder zum Biathlon zurück. Den Sport praktizierte sie schon unter anderem mit Amy Baserga sehr erfolgreich. Baserga ist 21, hat es in den Weltcup gebracht – und stammt wie Müller aus Einsiedeln. Die Basergas und Müllers sind Nachbarn. Man kennt sich also.

Müller hat Pläne, Ziele, auch Träume. Und den Ehrgeiz, sie zu verwirklichen. Davon hält sie eine Absage der Winteruniversiade ganz bestimmt nicht ab.


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